Fürbitterin und Evangelistin
von Elana Shaw
Als Suzette Hattingh am 24. Dezember 1990 in der bitteren Kälte eines typisch deutschen Winters die Gebetstruppe um sich scharte, hätte sie nie gedacht, dass diese Straßenevangelisation an Heiligabend ihr Leben für immer verändern würde.
Der Plan war, Obdachlose mit einem kleinen Weihnachtsgeschenk und Gebet zu segnen, aber nirgendwo konnten sie Obdachlose finden. Weder auf der Straße noch an einem der Orte, an denen sie sich normalerweise in eiskalten Nächten aufhalten würden. Es war, als ob alle verschwunden wären.
Als das Team beschloss, sich in kleinere Gruppen aufzuteilen, hörte Suzette plötzlich Stimmen und folgte den Geräuschen. Sie dachte, sie hätte den Ort gefunden, an dem die Obdachlosen Schutz vor dem Regen suchten und dass sie endlich die Geschenke verteilen könnten, die das Team so liebevoll vorbereitet hatte.
Was sie jedoch vorfand, war eine der lebensverändernsten und herzzerreißendsten Erfahrungen ihres Lebens!
Eine schockierende Erkenntnis
Als Suzette mit dem Teammitglied, das sie begleitete, um die Ecke bog, spürte sie etwas Kaltes in ihrem Rücken. Sie wusste sofort, dass es sich um eine Waffe handelte. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf und sie konnte nicht glauben, dass dies nur zwanzig Minuten von ihrer Wohnung entfernt in Frankfurt geschah. Suzette stellte sicher, dass ihre Mitarbeiterin nahe bei ihr blieb, holte tief Luft, nahm Haltung an und drehte sich zu einem Mann um, der sie anschrie: „Was wollen Sie?“.
Suzette erinnert sich daran, dass sie auf der Stelle ausnehmend freundlich wurde und antwortete: „Nichts, was Sie haben, aber vielleicht wollen Sie das, was ich habe.“.
„Und was ist das?“, fragte der Mann.
„Ein paar Weihnachtsgeschenke.“, antwortete sie. Als Suzette sich umschaute, wurde ihr klar, was gerade geschehen war.
Sie war unwissentlich geradewegs in eine Drogenhöhle gelaufen. Was sie sah, schockierte sie zutiefst. Zu ihrer Linken standen ein paar Männer, die Heroin in Löffeln aufwärmten, und zu ihrer Rechten sah sie eine Prostituierte in voller Aktion.
„Okay, alles klar. Bring die Geschenke mit. Ich werde mit dir gehen.“, sagte der Mann und hielt Suzette immer noch die Waffe in den Rücken. Als sie sich auf den Weg machten, hörte sie das schreckliche Geräusch eines voller Angst schreienden Kindes. Als gelernte Krankenschwester war ihr erster Instinkt, in dieser Notsituation zu handeln. Sie rannte in die Richtung, aus der die Schreie kamen. Leider war der Täter nicht weit hinter ihr, und gerade als Suzette den etwa zehnjährigen Jungen erreichte, der diese entsetzlichen Schreie aus seinem kleinen Körper ausstieß, zog der Mann sie barsch zurück und drohte: „Wenn du am Leben bleiben willst, dann lass dieses Kind in Ruhe.“.
Den herzzerreißenden Anblick, der sich ihr bot, wird Suzette nie vergessen, und der Ton der Hilfeschreie des Jungen wird sie für den Rest ihres Lebens nicht mehr loslassen. Als sie dem Täter mutig entgegentrat und nach der Ursache für die Schmerzen des Kindes fragte, erfuhr sie, dass dem Jungen kurz vor ihrer Ankunft Heroin gespritzt worden war. Sie wollten aus ihm einen Kinderprostituierten machen!
Die Frage, die wir uns alle stellen sollten
„Ich stand völlig geschockt da und konnte nichts tun, um ihm zu helfen. Sie zogen ihn weg, während er schrie und weinte, und in diesem Moment hörte ich die Stimme Gottes, die mich fragte: ‚Wo ist der Leib Christi?‘“, erinnert sich Suzette.
Die Antwort auf diese Frage war einfach und doch ernüchternd. ‚Der Leib Christi‘ saß in seinen gemütlichen Häusern am Kaminfeuer, sang Weihnachtslieder und öffnete Geschenke …
Und nur ein paar Kilometer entfernt, war ein tiefes Loch der Sünde.
Suzette erkannte, dass sie als Fürbitterin ‚ihr Leben im Gebetsraum lebte‘ und darauf vertraute, dass Gott Erweckung bringen wird. Sie würde tagelang fasten und beten, um einen Durchbruch in den Nationen zu sehen, aber würde sich nie als Evangelistin ansehen oder dass Gott sie zum Predigen des Evangeliums gebrauchen könnte. Sie dachte, ‚Evangelisation‘ bedeutet, auf einer Bühne hinter einer Kanzel zu stehen, mit einem Mikrofon in der Hand und einer Beleuchtung, die die Augen blendet.
Evangelisation und der Missionsbefehl
Ihr wurde bewusst, dass der Missionsbefehl, wie er in Matthäus 28 steht, genauso ihre Aufgabe war wie die von Reinhard Bonnke. Und obwohl sie sich sehr bewusst war, dass sie nicht wie Pastor Bonnke predigen konnte, traf sie in diesem Moment eine sehr tiefe und ernsthafte Entscheidung vor Gott, mit jedem einzelnen Menschen, den Er ihr über den Weg schicken würde, über Jesus zu sprechen …
Und Gott schickte tatsächlich Menschen. Zuerst nur ein paar. Später dann die Massen, und so gab Er Suzette die Gelegenheit, ihr Versprechen an Ihn zu erfüllen und das Evangelium mit Tausenden und Abertausenden von Menschen zu teilen, deren Leben sich für immer veränderte.
Seit jener grauenvollen Nacht in Frankfurt lehrt Suzette auch über die Ausgewogenheit zwischen einem Lebensstil der Fürbitte und der Evangelisation. Sie ist überzeugt, dass ein inniges und kraftvolles Gebetsleben in Taten umgesetzt werden muss und nicht zum Selbstzweck werden darf. „Gebet und Evangelisation sind untrennbar.“, sagt sie. „Die Zeit, die man im Gebet verbringt, sollte in direktem Verhältnis zu der Zeit stehen, in der man rausgeht, um Menschen mit dem Evangelium zu erreichen und umgekehrt.“
‚Den Auftrag einer Evangelistin erfüllen‘
Dass sie im Dienst einer Evangelistin wandeln würde, hätte Suzette nie gedacht, denn sie fühlte sich mit dem Gebet hinter den Kulissen wohl; aber in dieser Nacht brach Gott ihr Herz für das, was Ihm das Herz bricht, und das tut Er bis heute. Suzette glaubt fest, dass es in Gott eine Ausgewogenheit gibt. Sie hat ihre Position als Fürbitterin nie aufgegeben, sondern die Leidenschaft und Berufung erweitert für Evangelisation und mehr, um Christus umfassend zu repräsentieren und so viele Menschen wie möglich zu Seiner Ehre zu erreichen.